Fair-Good-Food, Fair-Good-Konsum: Illusion oder realistisches Szenario? Zum Spannungsfeld zwischen gewinnoptimierter Lebensmittelindustrie, Tier- und Verbraucherschutz

Drei Erkenntnisse des Abends:
Es war eine kontroverse und hoch engagierte Diskussion, die sowohl das Podium als auch das Publikum sichtlich beschäftigte. Das Thema „Fair-Good-Food, Fair-Good-Konsum“ erhitzte die Gemüter – kein Wunder: Neben Zahlen und Fakten sind es im Bereich der Ernährung, des Konsums und der Nachhaltigkeit oftmals konkurrierende Lebensentwürfe, die sich scheinbar unversöhnlich gegenüber stehen. Ganz im Sinne des „Engagierten Bürgerdialogs“ wurde mit Argumenten gerungen, zuweilen gestritten, aber in jedem Fall miteinander gesprochen.
Erkenntnis #1: Ernährung und Konsumverhalten unterliegen einem breiten Spektrum verschiedener Entwicklungen.
Ohne Frage gibt es seit vielen Jahren ein breites Spektrum an unterschiedlichen Trends. Neben der vegetarischen und veganen Ernährung ist auch eine Entwicklung hin zum bewussten, hochwertigen und reduzierten Fleischkonsum erkennbar. Dahinter steht vor allem die veränderte Motivation des Konsumenten: Gesundheit definiert sich heute stärker über die Ernährung, aber auch die Ethik in Umwelt- und Tierschutzfragen ist eine andere wie noch vor 20 Jahren. Ernährungs- und Konsumverhalten scheinen einem langfristigen Trend zu unterliegen und sind Zeichen einer gesamtgesellschaftlichen Weiterentwicklung.
Erkenntnis #2: Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem bewussteren Konsum und der „Geiz ist Geil-Mentalität“.
Während die Verbraucher einerseits sehr hochwertiges Fleisch aus möglichst regionaler, nachhaltig-fairer Produktion nachfragen, zeigt sich im alltäglichen Konsum, wie beispielsweise in der Betriebskantine, ein deutliches Sparverhalten. In der großen Mehrheit wird Fleisch nach wie vor über den Preis verkauft, die Gewinnmargen der Produzenten sind dadurch gering.
Neben der Verbraucherseite sorgen aber auch Fachkräftemangel in Landwirtschaft und Fleischerhandwerk sowie das schlechte Image der beiden Berufsstände für ein hohes Maß an Zentralisierung und Industrialisierung in der Fleischproduktion. Sie begünstigen den Zerfall vormals regionaler, dezentraler und mittelständischer Strukturen.
Erkenntnis #3: Die Entfremdung zwischen Mensch und Tier ist problematisch im Hinblick auf die Massentierhaltung.
„Wenn Schlachthäuser Glaswände hätten, würden alle Menschen vegetarisch leben.“ Dieses Zitat wird dem Sänger Paul McCartney zugeschrieben. Tatsächlich scheint es eine Entfremdung zwischen Mensch und Tier zu geben – besonders im Hinblick auf den hohen Industrialisierungsgrad der Fleischproduktion. Der Produktionsprozess tierischer Lebensmittel findet weit weg vom Verbraucher statt. In seiner Wahrnehmung hat die Wurst im Supermarkt mit dem Lebewesen dahinter nichts mehr zu tun. Würden Tiere wieder stärker als Lebewesen wahrgenommen, könnte sich das Konsumverhalten unserer Gesellschaft langfristig und nachhaltig verändern. Die gesellschaftliche Debatte zum Thema wird sich wohl fortsetzen.
Es diskutierten:
Michael Boddenberg MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag sowie Vorsitzender im Aufsichtsrat der Zentralgenossenschaft des europäischen Fleischergewerbes eG (Zentrag)
Melanie Reiner und Viktor Gebhart, Geschäftsführer der Tierrechtsorganisation Animals United e.V.
Hartmut König, ehemaliger Leiter der Fachabteilung Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Hessen e.V. sowie Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Initiative "Regionalfenster" für den Bundesverband der Verbraucherzentralen
Peter Seeger, Landwirt und Blogger bei den „agrarspitzen“ der Agrarzeitung
Carsten Koch, Geschäftsführender Gesellschafter der Karl Eidmann GmbH & Co. KG
06. Februar 2018, 18:30 Uhr
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