Veranstaltung der Reihe Zeitzeuge Bundesrepublik
Erkenntnisse des Abends
Erkenntnis 1: Politische Karriere, 3 Schnäpse und Bedrohungen durch die RAF (Schleyer-Entführung, Biographie von Walter Kohl)
Nach Erinnerungen an die Zeit vor 1945 sind ein französisches Ferienlager und Aufenthalt bei einer französischen Gastfamilie, die in der Resistance aktiv waren, in lebendiger Erinnerung. Ein-klassige katholische Dorfschulen im CDU-Milieu und der Einfluss des liberalen Steuerberater seines Vaters aus dem Ruhegebiet ließen ihn in die FDP eintreten. Als Geschäftsführer der IHK Mainz-Bingen fiel er Genscher auf, der ihn als Geschäftsführer nach Bonn holte. Später wechselte er zurück nach Mainz ins Kabinett des jungen Helmut Kohl. Helmut Schmidt führte ein diszipliniertes Regiment: Kabinettssetzung am Mittwoch Punkt 9h. Einmal waren er und Apel im Gespräch, Schmidt: „Wenn Sie reden wollen, gehen sie raus.“ Sie gingen raus und dachten an Rücktritt. Nach dem Kabinett bat Schmidt sie in sein Büro, wo sie ihren Rücktritt in Aussicht stellten. Schmidts Reaktion an seine Sekretärin: „Bringen Sie uns 3 Schnäpse!“ Es gab auch Bedrohungen, die an Helmut Kohls Sohn Walter Kohls autobiographische Erinnerungen erinnern: Die RAF-Zeit brachte Spannungen. Nach Prontos Ermordung bat Schmidt, dass er den Kontakt zur Schleyer-Familie halten sollte. Seine (Friderichs) Familie stand unter Polizeischutz, das wirkte sich auf den Alltag der Familie nach außen auf. Auch nach innen gab es schwierige Themen: Bei der Frage, ob der Staat hart bleiben und den Tod in Kauf nehmen oder den Entführern nachgeben sollte, positionierte sich die ältere 16jährige reife Tochter für die harte Linie – und wenn ihr Vater betroffen wäre? Hans Friderichs hat verdrängt, weil aus Berufsgründen bestimmte Dinge nicht an die Emotionen herangelassen werden dürfen.
Erkenntnis 2: Europa als Friedensprojekt
Er teile Helmut Kohls Begeisterung für ein geeintes Europa, das für Frieden steht. Er erinnere sich, dass vor der Wiedervereinigung einige Kreise Bedenken gehabt hätten auch bezügl. einer gemeinsamen Währung, sieht aber Kohls entschlossenes Handeln von damals als richtig. Bestimmte aktuelle Strömungen, die die EU kritisieren, bedauert er. In früheren Zeiten habe zwischen die deutsch-französische Freundschaft kein Blatt gepasst, aktuell beobachte er Spannungen. Frankreich und Deutschland spielen eine wichtige Rolle im Rahmen der europäischen Vereinigung, auch hinsichtlich einer gemeinsamen Sicherheitspolitik.
Erkenntnis 3: Ampelpolitik-Kommentar: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ und 2 Tipps für Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck
Die gegenwärtige Politik verfolge er mit gewissen Bedenken. Lindner habe vor vielen Jahren die FDP übernommen und ihr eine Hausse bereitet. Ein Gast erinnert sich: Lindner habe mal gesagt: „Besser gar nicht regieren als schlecht regieren“, wie steht es damit derzeit? Friderichs äußert seine Meinungen und Ideen:
2 Tipps für Finanzminister Christian Lindner
Die FDP sollte in der Koalition bleiben, die wahrscheinlich bis zum Ende der Periode halten wird. Lindner müsste sich ein, zwei Schwerpunktthemen nehmen und hier konsequent die FDP-Positionen durchsetzen, z.B. die Schuldenbremse, da würde ihm vernünftige Teile der SPD wie früher unter Helmut Schmidt unterstützen.
Bei der Einschätzung mancher Persönlichkeit fiele ihm der Dreisatz „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ ein, und in der Bonner Zeit scheint es ihm besser gelaufen zu sein als in der jetzigen Berliner Republik, sowohl was die Politiker als auch die Medienlandschaft – ARD/ZDF damals gegen Kosmos sozialer Medien heute – als auch das Verhältnis zu Journalisten angeht. Der Klimawandel ist für ihn ein Faktum, doch der Umgang damit findet nur seine Kritik.
2. Tipp für Wirtschaftsminister Robert Habeck
Würde Wirtschaftsminister Robert Habeck ihn anrufen, um von ihm zumindest einen Tipp zu bekommen, würde er ihm sehr empfehlen, von allzu großen administrativen Vorgaben und Eingriffen in den Privatbereich abzusehen und dem Markt mit der Unternehmerkonkurrenz zu überlassen, wie die Unternehmer die CO2-Thematik und weitere Punkte von sich aus am besten lösen würden; außerdem brauche so eine Transformation ihre Zeit!
Unser Gast:
Zeitzeuge Hans Friderichs
Unser Dank geht auch nochmal an das gesamte Team von der Villa Rothschild für die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten und Betreuung der Gäste.
30. Oktober 2023, 19:30 Uhr
Villa Rothschild
61462 Königstein