4x4 für Frankfurt - 4 Bürgermeister im Dialog mit 4 Unternehmern zu Standort, Image, Digitalisierung, Zukunft
Die drei Erkenntnisse des Abends
1. Erkenntnis: Politik und Verwaltung bittet die Wirtschaft, ihr „Wunschkonzert der Gesetze“ zu reduzieren!
Herr Klaus Schindling ist seit 2016 Bürgermeister von Hattersheim, war vorher Unternehmer in der Bau-/Abfallwirtschaft und langjährig in der CDU aktiv und konnte Hattersheim mit seiner guten Sozialpolitik, aber unterm hessischen Rettungsschirm, verwandeln. Er weist darauf hin, das bei solchen Entwicklungen – allgemein! - „eine ganze Portion Glück“ eine Rolle spielt und das Marktgeschehen. Da derzeit Rechenzentren einen Boom erleben und Hattersheim dafür günstige Rahmenbedingungen bieten konnte, führte das tatsächlich zu Ansiedlungen, so dass die Gewerbesteuern von 6,4 Mio. auf 23 Mio. stiegen, woraufhin Sportplätze saniert, Stadtreinigung und Stadtpolizei intensiviert werden konnten.
In Langen regiert seit 102 Jahren die SPD, der derzeitige CDU-B. Herr Prof. Dr. Jan Werner ist seit 2020 im Amt und konnte die Gewerbesteuern von 13 Mio. in 4 Jahren auf 26 Mio. steigern. Ein Herzensanliegen sind ihm Kitaplätze und wenn 1.200 Kinder in den Kitas sind und 500 davor warten, mangels Erzieher-/innen, dann wandern die Leute ab, denn auf 1 fehlende/n Kita-Erzieher-/in kommen ca. 7 Kinder im Ü3-Bereich, von deren Eltern als Alleinerziehende dann 50% direkt beim Amt Bürgergeld beantragen können. U.a. würden den Kita-Erzieher-/innen eine Wohnung versprochen, was im Rhein-Main-Gebiet ein großes Problem ist.
In Obertshausen kam der Bürgermeister Manuel Friedrich ebenfalls während des Lockdowns ins Amt und generierte u.a. mit Hilfe von Bürgerschaft und Unternehmen ein Spendenprojekt von ca. 300.000 Euro.
Herr Michael Merz von Ransbach/Bambach bei Limbach erklärt, er hätte eine klassische Verwaltungsausbildung und Erfahrungen im Bereich Sozialgericht, im Gegensatz zu den anderen Podiumsgästen. Er wies darauf hin, dass Leute im klassischen Verwaltungsbereich anders denken als Unternehmer.
Die Verwaltung klagt, dass die Unternehmer doch bitte „ihr Wunschkonzert der Gesetze“ reduzieren möchten, weil es so einfach mit den verschiedenen Regularien eben nicht ist, so viel Handlungsspielräume hat die Verwaltung nicht.
2. Erkenntnis: Die Wirtschaft bittet Gesellschaft und Politik um „mehr Wertschätzung“ für unternehmerisches Engagement und Leistung!
Die Unternehmer werden vorgestellt. Frau Senayt Kesete von „MainBaumwächter“ stellt Wassersäcke für Bäume her, die in den Kommunen für die Bewässerung öffentlicher Flächen genutzt werden. Die Idee entstand schon vor 60 Jahren in Israel und hat dort Wüsten in Grünflächen verwandelt und heute nutzen viele Kommunen Wassersäcke aus China für 2 Euro, doch ihre Wassersäcke kosteten ca. das Dreifache, seien aus recycelbarem Material und hielten ca. 15 Jahre und nicht wie die Importe nur ca. 2 Jahre.
Herr Dr. Alex Bode ist Bindeglied zwischen Bürgern und Privatwirtschaft.
Frau Miriam Nerlich Geschäftsführerin und Senior Area Director SIXT Frankfurt, zu der eine Filiale zu der stärksten in ganz Europa zählt.
Frau Nerlich war vorher in der Modebranche aktiv und hat Einblicke in Belebung der Innenstädte. Den Mietvertrag ihres umsatzstärksten Standorts hatte sie bereits zwei Jahre vor Eröffnung unterzeichnet. Doch Nutzungsrechte und Baurecht-Genehmigungen die in der Regel drei Monate in Anspruch nehmen, zogen sich ein ganzes Jahr hin. Als weitere große Probleme neben der Wohnungsfrage erweist sich die Parkplatzfrage, die für die Kunden als Service- und Convenience-Aspekt entscheidend sind. Auch für die Mitarbeitende sind die Kosten für Parkplätze von ca. 240-280 Euro netto absolut untragbar.
Herr Kersten Reininger, Gründer der Herr Schmidt Werbeagentur mit derzeit ca.15 Mitarbeitern und Sitz in Sachsenhausen, betont, dass die Stadt Frankfurt die Bedürfnisse der Unternehmen zunehmend ignoriert, wenn es um Verkehrsplanung, Wohnungsbau oder Digitalisierung geht.
Frau Kesete weist darauf hin, dass sie die Wertschöpfung und Beitragszahler sind und wünscht sich mehr Wertschätzung für unternehmerisches Engagement, auch von Gesellschaft und Verwaltung.
3. Erkenntnis: „Digitalisierungsgesetz“, KI, Nachhaltigkeit und Mißverständnisse zwischen Verwaltung und Wirtschaft („Unternehmensberater“ oder „Gründungsberater“ 18 Euro Bußgeld), Oeder Weg
Hingewiesen wird darauf, wenn Kommunen nicht Produkte wie von MainBaumwächter, sondern lieber aus China bezögen, dass bei der Auswahl nicht nur eine gute Storyline eine Rolle spielt, sondern auch die Haushaltszwänge der Kommunen.
In der Gründungsstadt Darmstadt hat Dr. Bode eine GmbH gegründet – und erhielt ein Jahr später ein Schreiben, er hätte die die Gewerbeanmeldung vergessen. Daran habe er nicht gedacht und sei von seinen Beratern nicht hingewiesen worden – Reaktion: „Ja, Sie sind doch Unternehmensberater, das hätten Sie doch wissen müssen!“ Er sei aber kein Gründungsberater – nichtsdestotrotz bekam er ein Ordnungsgeld von 18 Euro.
Kritisiert wurden die Verwaltungs- und -Organisationskultur. Entgegnet wurde von Herrn Schindling, Behörden seien keine Unternehmer, sondern Treuhänder der Steuerzahler und damit erstens zu Transparenz und zweitens zur Einhaltung vieler Vorgaben verpflichtet. Das Digitalisierungsgesetz verpflichte bis 2026, etwa 573 Verwaltungsvorgänge zu digitalisieren.
Digitalisierung, KI und Nachhaltigkeit spielten für die Zukunft eine große Rolle. Ein Zuschauer berichtete von einem IHK-Podium, wo die Themen Rechenzentren, Wasser und Abwärme diskutiert, worden seien. Bis 2050 soll Frankfurt klimaneutral werden, bis 2026 die kommunale Wärmeplanung umgesetzt.
Kersten Reininger wies darauf hin, dass die aktuelle Verkehrsplanung mit dem exzessiven Ausbau von Fahrradspuren und den Wegfall von Autospuren und Parkplätze die Stadt zunehmend in den Verkehrskollaps führe. Da Frankfurt Deutschlands größte Pendlerstadt ist, könne man keine Verkehrspolitik aus Städten, in denen die Menschen dort wo sie arbeiten und wohnen, auf die Mainmetropole übertragen. Neben den ca. 780.00 Einwohnern fahren jeden Morgen zusätzlich rund 455.000 Pendler in die Stadt und abends wieder raus, was schon aufgrund der Wohnungsnot und Mietpreise gar nicht anders möglich sei. Dass mit der Verkehrspolitik auch die Verödung der Innenstadt und die Vernichtung des stationären Handels einhergeht, wird am Beispiel Oederweg deutlich. 40% der Geschäfte, die keine Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen, planen, den Oeder Weg zu verlassen. Die University of Applied Science hat neulich ihre wissenschaftliche Untersuchung der Veränderungen des Oeder Wegs vorgestellt:
Der Dialog fand mit folgenden Bürgermeistern statt:
- Prof. Dr. Jan Werner, Bürgermeister Langen
- Klaus Schindling, Bürgermeister Hattersheim
- Michael Merz, Bürgermeister Ransbach-Baumbach
- Manuel Friedrich, Bürgermeister Obertshausen
Als Unternehmervertreter begrüßten wir:
- Dr. Alexander Bode, Unternehmer, Innovationsberater, Vorstand, Weinhändler, Gründer, Aufsichtsrat, Gründer und Vorstand KommunalCampus eG
- Senayt Kesete, Gründerin und Geschäftsführerin MainBaumwächter
- Miriam Nerlich, Geschäftsführerin und Senior Area Director SIXT Frankfurt
- Kersten Reininger, Gründer und Geschäftsführer der Herr Schmidt Werbeagentur GmbH und Privatdozent an der Hochschule Fresenius
Unser Dank geht auch nochmal an das gesamte Team von der Villa Rothschild für die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten und Betreuung der Gäste.
29. Mai 2024, 19:30 Uhr
Villa Rothschild
Im Rothschildpark 1
61462 Königstein im Taunus