Der Aderlass. Zur Situation, dass immer mehr gute Köpfe und Kapital das Land verlassen

 

Die drei Erkenntnisse des Abends
 

1. Erkenntnis: Konrad Adenauer: „Die persönliche Freiheit ist das höchste Gut des Menschen“: Unternehmerische Freiheit und Sicherheit (auf der Straße)

Kaum hatte Herr Luck die Dependance der Bank an der Alten Oper eröffnet, bildete sich dort bereits eine Schlange. Generell ist die Nachfrage aus ganz Deutschland nach einem Konto in Liechtenstein oder – mit der Hilfe von Herrn Klinkner – nach der Gründung einer Familienstiftung in Liechtenstein oder der Schweiz, insbesondere in den Kantonen Obwalden, Nidwalden, Luzern und Schwyz, in den letzten ca. fünf Jahren stark gewachsen. Die unternehmerische Freiheit fühlt sich in Deutschland zunehmend durch Bürokratie eingeengt. Auf die Frage von Herrn Gupta, wer heutzutage noch ein Unternehmen gründen würde, antworteten ca. 10 der Zuschauer. Auf die Frage, wer seinen Kinderwagen mit Kind unbeaufsichtigt vor Lidl stehen lassen würde, antworteten etwa fünf der ca. 80 Zuschauer. Noch weniger würden ihr 7- bis 11-jähriges Kind allein im Zug von Frankfurt nach Mannheim fahren lassen. Unternehmerische Freiheit und Sicherheit auf der Straße bilden derzeit eine negative Allianz. Ein kleiner Teil der Unternehmer sucht daher die Freiheit im Ausland, während ein Großteil der Menschen Sicherheit in Konzernen oder im Staatsdienst sucht.

In der Schweiz könne man – auch, weil es dort nie eine Monarchie gegeben habe – selbstbewusste, politisch reflektierte und aktive Bürger beobachten. Eine Politik, die über die Köpfe der Leute hinweg entscheidet, wie in Deutschland, sei dort kaum vorstellbar.

Es wurde auf verschiedene Indizes zur Messung von Länder-Kriterien hingewiesen, wie z. B. den European Digital Index, den Gender Equality Index, den Human Development Index (Bildungsinvestitionen in Norwegen und Deutschland), den Happiness Index und viele mehr. Denn die Entscheidung zum Zuzug oder Wegzug hänge von unterschiedlichen persönlichen Aspekten und Wünschen ab.

 

2. Erkenntnis: Wer kommt (warum?), wer bleibt (warum?), wer geht (wohin und warum?)?

Privatpersonen wollen vielleicht ihren Wohnsitz in Deutschland behalten, unternehmerisch jedoch anderswo aktiv werden, z. B. in Frankreich, der Schweiz, Österreich, Italien, den USA, Dänemark oder Estland bzw. den nordischen Ländern. Gründe dafür sind unter anderem die Staatsschulden, die Staatsquote (in Liechtenstein 20 %, in Deutschland 50 %), die Schnelligkeit von Genehmigungsverfahren, Digitalisierung, Rechtsschutz und Sicherheit.

Ein Beispiel für erfolgreiche Einwanderung könnte Herr Gupta sein, der in Indien seine deutsche Frau kennengelernt hatte, nach Deutschland eingewandert ist, beim Wachstum eines Start-ups geholfen hat, eine Familie gegründet und ein Haus gebaut hat, also sowohl unternehmerisch als auch familiär sehr erfolgreich gewesen wäre. Doch vor 19 Jahren waren die Lage und die Atmosphäre anders. Wenn jedoch sein Sohn, der seine dunkle Hautfarbe geerbt hat, in der Grundschule gefragt wird, ob er Dreck im Gesicht habe, macht sich Herr Gupta Sorgen um die Zukunft seiner Kinder. Seit einem Jahr denkt er konkret darüber nach, mit seiner Frau nach Norwegen zu ziehen.

Bei der "Next Generation" könne man bei gut ausgebildeten Leuten, z. B. im Vordertaunus bei der International School, beobachten, dass sie, wenn sie einmal Auslandserfahrung gesammelt haben, eher nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.

Auf dem P5-Kongress wurde in einem Vortrag auf den Kettensägenhersteller Nikolaus Stihl hingewiesen, der im großen FAZ-Interview vom 6.4.2024 sagte: „Die Schweiz ist für uns günstiger als Deutschland“:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/unternehmer-nikolas-stihl-sorge-um-zukunft-des-unternehmens-und-des-standorts-19671190.html

Der unternehmerisch tätige Fürst von Liechtenstein hat in einer Studie, die er als Buch veröffentlicht hat, das Verständnis des Staates als helfende Institution untersucht. Das Buch wurde auf dem Podium erwähnt:

https://www.amazon.de/Staat-im-dritten-Jahrtausend/dp/3905881039

 

3. Erkenntnis: Wichtige konkrete Zuschauer-Erfahrungen und -Einschätzungen

Das Potenzialwachstum sinke gegen Null. Zuschauer äußerten sich unterschiedlich zu den Landtagswahlen und den damit verbundenen Problemen. Im Hinblick auf die Energiepolitik machten die Grünen mehr Angst als bestimmte andere Parteien, dem widersprach jedoch eine Person, die sagte, die Grünen seien demokratisch, während es eine bestimmte Partei gibt, die unter Beobachtung stehe. Eine Frau empörte sich über die neue Dependance: Statt Haltung zu zeigen, würden die Bankvermittler Profit aus dem Frust schlagen. „Es scheint, als habe das Schiff Deutschland die richtigen Lotsen verloren und sei am Sinken. Man müsse Haltung zeigen und erst recht auf das positive Potenzial hinweisen und investieren!“ Darauf entgegnete Herr Luck, dass er im Interesse seiner Kunden handeln müsse und nicht im Interesse des Landes.

Der Zuschauer J. M. erzählte von seinen Erfahrungen mit Verwaltungsakten und dem Rechtssystem – er warte auf eine Steuernummer für sein Unternehmen, und da dies so lange dauere, frage die Bank kritisch wegen des Kontos nach. Er hat ein Buch mit vielen Praxisbeispielen veröffentlicht:

https://www.amazon.de/Die-Diktatur-Rechts-Jonathan-Misler/dp/B0D3WPQJZC?source=ps-sl-shoppingads-lpcontext&ref_=fplfs&psc=1&smid=A3JWKAKR8XB7XF&language=de_DE&asin=B0D3WPQJZC&revisionId=&format=4&depth=1

Ein Zuschauer warnte, dass Deutschland in Bezug auf Zukunftstechnologien katastrophal dastehe. Patente und deren Umsetzung gelängen anderswo besser, und in Kalifornien könne man drei Entwicklungen verfolgen: a) autonome Autos, b) Verjüngungstechnologien, c) perfekte künstliche Intelligenz. Es sei zwar möglich, dass finanzielle Profite auch in deutschen Finanzstrukturen zum Tragen kämen, doch dies käme wohl nicht dem Staat und der Gesellschaft zugute.

Manche suchten berufliche Verbesserungen in Dubai oder Abu Dhabi. Hier wurde gewarnt, dass dies zwar einige versucht hätten, aber dass zum Beispiel die Kultur und das Gesetz in Dubai es unmöglich machen könnten, eine Ehefrau als Unternehmensnachfolgerin einzusetzen.

 

Podium:

  • Matthias Luck, Managing Director, Leiter Private Banking Frankfurt, Liechtensteinische Landesbank AG
  • Thorsten Klinkner, Experte für Stiftungsgründungen in der Schweiz und Liechtenstein, Geschäftsführender Gesellschafter UnternehmerKompositionen
  • Kshitij Gupta, Unternehmer und deutscher Staatsbürger / mit einer Deutschen verheiratet. Er kam einst aus Indien nach Deutschland, um hier zu leben und beruflich tätig zu sein.Der Familienvater orientiert sich neu zieht ein baldiges „Weiterziehen“ in Betracht – dies primär wegen der Familie und um seinen Kindern bessere Chancen zu ermöglichen

     

Unser Dank geht auch nochmal an das gesamte Team von der Villa Rothschild für die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten und Betreuung der Gäste.

Termin
02. September 2024, 19:30 Uhr
Veranstaltungsort
Villa Rothschild
Im Rothschildpark 1
61462 Königstein im Taunus
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