Dr. Michel Friedman: „Deutschland – Weltmeister im Mittelmaß?“

Michel Friedman echauffiert sich
Artikel vom 27.02.2007 im Onlineportal des Journal Frankfurt (www.journalportal.de)
Michel Friedman kann es noch. Reden, provozieren, herausfordern. Nachdem es in den vergangenen Jahren – nach dem Skandal um Kokain und Prostituierte – etwas ruhiger um ihn geworden war, ist er nun zurück. Als Moderator mit wöchentlicher Talksendung, als Publizist und natürlich als Rechtsanwalt. Am Montagabend konnten sich die rund 100 Gäste der Frankfurter Montagsgesellschaft von der Eloquenz des 51-Jährigen überzeugen. Die Initiatoren des monatlich statt findenden Diskussionszirkels, Stefan Knoll und Stefan Söhngen, hatten ihn eingeladen zum Thema „Deutschland, Weltmeister im Mittelmaß“ zu sprechen. Schnell war klar, das Thema reizte Friedman und es bereitete ihm „Lust“ wie er selbst sagte, die Anwesenden mit seinen Thesen zu provozieren: „Meine Generation hatte keinen Stress in der Karriereplanung. Bis in die 90er-Jahre konnte man sich auf einen Automatismus in der Fortentwicklung verlassen, ohne je nach dem Studium noch einen Leistungsnachweis erbringen zu müssen“. Das sei falsch und ein Grund dafür, dass auf den Eliteposten eigentlich nur Mittelmäßige säßen, die Angst davor hätten, entdeckt zu werden: „Durch diese mittelmäßigen Menschen, die vorgaukeln, Elite zu sein, kommt unser Land nicht aus dem Stau heraus, in dem es sich seit einiger Zeit befindet“, so Friedman. Dort, wo Politik in Opportunismus und Meinungsumfragen ersticke, werde es keine wagemutige Politik geben und solange die Vorgesetzten aus der Mittelmäßigkeit kommen, würden diese dafür sorge tragen, dass es niemanden gebe, der sie und ihren Posten in Gefahr bringe: „Lösen wir uns von den Schleimscheißern“, so Friedman, „und natürlich kann es sein, dass wir uns dann auch erst mal von uns selbst lösen müssen. Aber das ist es wert!“
Die Diskussionskultur müsse bereits zuhause gepflegt werden: „Wenn aber die Eltern ihrem Kind vorleben und beibringen, sich möglichst ruhig zu verhalten und angepasst zu sein, können keine mündigen Bürger entstehen“. Dieses Selbstgefühl des „Citoyen“ habe sich in der heutigen Gesellschaft weitgehend verabschiedet, da es zweifelsohne anstrengend sei, sich stetig fortzuentwickeln. „Doch wir müssen wieder mutiger werden, unsere Gesellschaft braucht risikobereite Menschen! Wir sind diese Republik! Gehen Sie in die Parteien oder sonst wohin! Gehen Sie raus, aber machen Sie! Machen Sie! Denn der beste Bundeskanzler ist nichts Wert, wenn nicht 82 Millionen Bürger Sauerstoff in ihre grauen Zellen pumpen“. Die Einstellung, man könne sowieso nichts tun, sei Ausdruck reinster Bequemlichkeit: „Verzeihen Sie, aber wenn ich das höre, muss ich kotzen! Die Wahrscheinlichkeit, dass nichts dabei herauskommt, wenn man nichts tut, liegt bei 100 Prozent“.
Ein weiteres Manko sieht der Rechtsanwalt im „katastrophalen deutschen Bildungssystem“: „Zehn Prozent eines jeden Jahrgangs schaffen keinen Abschluss und die Gesellschaft findet sich damit ab. Dazu komme die emotionale Verwahrlosung. Das ist unmöglich!“, ereiferte er sich, „mit einer solchen Jugend wird es keine Zukunft geben!“ Friedman machte sich stark für die bestmögliche Förderung jedes einzelnen, egal, ob Student oder Handwerker: „Es kann doch nicht sein, dass die finanziellen Möglichkeiten der Eltern darüber entscheiden, ob ein Kind, auch wenn es die intellektuellen Fähigkeiten nicht aufweist, auf eine so genannte Eliteschule geht. Dorthin gehören die Besten, nicht die Liquidesten!“.
25. Februar 2007, 23:00 Uhr
wird noch bekannt gegeben
